Der Wechselwähler: Theodor Fontane

Theodor Fontane ist heute ein Klassiker der deutschen Literatur. 1848 war er 28 Jahre alt und noch weitgehend unbekannt. Er stammte aus einer Apothekerfamilie und hatte ein Jahr zuvor seine 11-jährige Ausbildung zum Apotheker „Erster Klasse“ abgeschlossen. Er arbeitete in der Jung’schen Apotheke in Berlin. Sie befand sich ganz in der Nähe der Fläche, auf der seit zwei Jahren der Volkspark Friedrichshain angelegt wurde. Die Kunden, die Theodor täglich bediente, waren kleinere Kaufleute, Handwerker und ärmere Familien mit Kindern.

Privat bewegte sich Theodor seit Jahren in den intellektuellen Kreisen von Leipzig, Dresden und Berlin. Er umgab sich mit Studenten, Akademikern und Literaten. Auch viele Frauen waren dabei. Politik war für sie alle ein wichtiges Thema. Besonders die Pressefreiheit, der freie Zugang zu Ehe und Scheidung und zu Bildung wurden viel diskutiert. Neben seiner Arbeit als Apotheker veröffentlichte Theodor erste journalistische Texte. Er schrieb auch politische Gedichte. Sie wurden in seinem Freundeskreis gelesen und diskutiert. Einige seiner Freunde stritten mit ihm über seine politische Meinung. Sie hielten ihn für radikal.

Der 18. März war ein Samstag. Theodor war bei der Arbeit, als sein Chef in die Apotheke kam. Völlig aufgelöst erzählte der, was gerade auf dem Schlossplatz passiert war. Es war geschossen worden. Was dann folgte, beschreibt Theodor Fontane in seiner Autobiographie. Demnach versuchte er, sich an den Barrikadenkämpfen in der Stadt zu beteiligen. Er hatte ja schon lange auf politische Veränderung gehofft. Ob seine Erzählung stimmt, wird heute bezweifelt. Auf den Barrikaden in Berlin kämpften vor allem Menschen, die zu Theodors ärmerer Kundschaft gehört haben könnten.

Sicher ist: Bei den ersten freien Wahlen am 1. Mai 1848 war Theodor Wahlmann. Er wurde von den Menschen in seinem Wahlkreis ausgesandt, um in ihrem Namen die Delegierten für das Nationalparlament zu ernennen. Briefe aus dieser Zeit zeigen, dass er noch immer von der Revolution überzeugt war. Er stritt darüber leidenschaftlich mit seinen Freunden. Wenige Jahre später verabschiedete Theodor sich aber von seinen Idealen: Er begann, erste Texte für die preußische Regierungspresse zu schreiben. Zu dieser Zeit machte er das Schreiben zu seinem Hauptberuf. 1862 kandidierte er erneut als Wahlmann – diesmal aber für die Konservative Partei. Er hatte sich über die Jahre weit von seinen revolutionären Überzeugungen entfernt.