Die Chronistin einer europäischen Revolution: Fanny Lewald

 

Für das uneingeschränkte Recht von Frauen auf Bildung! Für das Recht von Frauen auf Erwerbsarbeit! Gegen die Zwangsverheiratung von Frauen! Für das Scheidungsrecht von Frauen! Erscheint in Deutschland heute selbstverständlich? War es aber nicht zu den Zeiten von Fanny Lewald.

Geboren als ältestes von neun Kindern einer jüdischen Familie, machte Fanny Lewald relativ früh zwei prägende Erfahrungen: Mit dem gewaltbereiten Antisemitismus der Hepp-Hepp-Krawalle 1819 und der Unterdrückung der Frau durch die Zwangsehe. Letzterer konnte sie sich – was damals höchst bemerkenswert war – erfolgreich widersetzen. Und gegen den Antisemitismus glaubte der Vater, mit dem „unverdächtigen“ Namen Lewald und der Konversion der Familie zum Christentum ankommen zu können – was damals gängig war.

Ein Universitätsstudium blieb ihr als Frau versagt. Dennoch versuchte Fanny Lewald, ihren Lebensunterhalt nicht als Ehefrau von irgendwem, sondern als selbstständige Schriftstellerin zu bestreiten. 1843 erschienen ihre Romane „Clementine“ und „Jenny“. Vor allem letzterer wurde zu einem der bedeutendsten Gesellschaftsromane des 19. Jahrhunderts. Denn hier forderte eine Frau erstmals relativ offen soziale und politische Umwälzungen zugunsten von Demokratie und Gleichberechtigung der Geschlechter. Darüber hinaus verknüpfte sie aber auch die Frauenemanzipation direkt mit der Emanzipation der Jüdinnen und Juden, legte schonungslos dar, wie patriarchale Gesellschaftsstrukturen, obrigkeitsstaatliches Denken und Antisemitismus die Emanzipation(en) geradezu unumgänglich machten, damit eine gleichberechtigte Gesellschaft entstehen könne.

Ihre klare Sprache ohne zeittypische Sentimentalität, aber auch die selbstkritischen Äußerungen gegenüber sich und den Frauen ihrer Zeit im Allgemeinen machen Fanny Lewald bis heute zu einer einzigartigen Chronistin ihrer Zeit. Auch während der Revolution 1848: Sie begleitete die Ereignisse in Paris, Berlin und Frankfurt am Main publizistisch, schrieb begeistert über den Aufbruch in Paris im Februar – und verpasste mithin die Barrikadenkämpfe in Berlin, wohin sie erst Anfang April zurückkehrte. Hier beschrieb sie anschaulich das Treiben auf den Straßen, die politischen Debatten, die – im Gegensatz zu Paris – freundliche Atmosphäre, aber auch (und auch im Gegensatz zu Paris) ein Weniger an Entschlossenheit. Mit der Teilnahme an Parlamentssitzungen in der Frankfurter Paulskirche – als Beobachterin, denn Parlamentarier selbst durften ausschließlich Männer sein – wurde Fanny Lewald zunehmend skeptisch gegenüber den Erfolgsaussichten der Revolution.