Kossuth-Denkmal

Am 20. März 1894 starb Lajos Kossuth in Turin und wurde nach Budapest im damaligen Österreich-Ungarn überführt. Schon während der Beerdigungsfeier sammelten Ungar:innen Geld, um Kossuths Leben mit einem Denkmal zu würdigen. Erst 1906 wurde ein Wettbewerb zu diesem Zweck ausgeschrieben. Diskussionen über den Entwurf für das Denkmal führten aber dazu, dass erst 1914 weite Teile der Figurengruppe fertiggestellt wurden. Der wichtigste Protagonist fehlte jedoch noch: Kossuth selbst. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte zur Stilllegung der Arbeiten am Denkmal, da rumänische Truppen den Marmorblock konfiszierten, aus dem Kossuths Figur angefertigt werden sollte. Erst 1919 fertigte der beauftragte Bildhauer die noch ausstehende Figur Kossuths an.

Nach dem Ersten Weltkrieg lösten sich zahlreiche Einzelstaaten aus der multiethnischen Habsburgermonarchie heraus. So auch Ungarn, welches aber ab 1867 eine gewisse Sonderrolle innerhalb des habsburgischen Vielvölkerstaates innehatte. Als eine von zwei Reichshälfte der nun bis zu ihrem Ende als Österreich-Ungarn firmierenden Monarchie, gelang es Ungarn, ein großes Maß an Autonomie gegenüber den deutschsprachigen Habsburgern durchzusetzen. Damit wurden zumindest teilweise jene Ziele erfüllt, welche die ungarischen Revolutionär:innen wie Lajos Kossuth 1848/1849 vergeblich verfolgt hatten.

Das Denkmal für Kossuth wurde erst 1927 eingeweiht. Der Bau erfuhr zudem auch Kritik, weil Kossuth nicht im Vordergrund der Figurenansammlung steht. Außerdem kritisierten Expert:innen die melancholische Stimmung des Denkmals. Galt es doch eigentlich Kossuth mit dem Denkmal zu ehren. 1950 entschied sich die Führung der damals stark von der Sowjetunion abhängigen Volksrepublik Ungarn, das Denkmal zu entfernen und Kossuth neu zu inszenieren. Er sollte nun optimistisch in eine ungarische Zukunft unter sozialistischer Herrschaft blicken. Auch die um Kossuth stehenden Figuren, darunter Sándor Petőfi (1823–1849), wurden erneuert. Im Jahr 2012, zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Ungarns und der Sowjetunion, entschied sich die Regierung, den Platz und das Denkmal erneut umzugestalten. Die sozialistische Zeit sollte unsichtbar gemacht und der Platz in dem Zustand aus dem Jahr 1944 zurückgebaut werden. Das Kossuth-Denkmal aus den 1950er Jahren wurde in den Orczy Park verbannt und in neuer Formation aufgestellt. Die erste Version des Kossuth-Denkmals aus dem Jahr 1927 wurde nachgebaut und erneut auf dem Kossuthplatz installiert.

Der Umgang mit dem Kossuth-Denkmal zeigt, wie sich die verändernden politische Verhältnisse auf das Erinnern an die Revolution von 1848/49 in Ungarn ausgewirkt haben. Bis heute ist die Revolution eine zentrale Säule der ungarischen Gedenk- und Erinnerungskultur. Sie beschreibt und belegt, zusammen mit Ereignissen wie dem Kampf gegen das osmanische Reich 1552 und dem sogenannten Volksaufstand 1956, den Kampf für ein unabhängiges Ungarn. Gerade am Nationalfeiertag werden immer wieder Bezüge zwischen den historischen Ereignissen hergestellt. Auch der heute amtierende Staatschef Viktor Orbán bezieht sich, ausgehend von seinen kulturkonservativen und teilweise rassistischen Lesarten einer ungarischen nationalen Identität, auf das Erbe von 1848. Die Revolution deutet er – wie in seiner Rede zum Nationalfeiertag 2018 verkürzt – als Kampf für ein „freies, unabhängiges und ungarisches Land“, welches es gegen die Bedrohung einer Masseneinwanderung aus kulturfernen, vor allem afrikanischen Ländern, so zu verteidigen gelte, wie es schon die ungarischen Vorfahren gegen die Habsburger und Sowjets getan hätten. Dabei sieht er das Land nicht nur von außen bedroht. Im Inneren herrschen, seiner Sicht nach, bereits Medien von „ausländischen Konzernen und inländischen Oligarchien“. Nicht mehr die Habsburger wie 1848, sondern „professionelle Lohnaktivisten, querulantische Organisatoren von Demonstrationen, das Netzwerk von durch internationale Spekulanten finanzierter NROs, die durch den Namen von George Soros zusammengefasst werden“ bedrohen heute das, für was die 1848er gekämpft und was mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endlich eingelöst worden wäre.